Rundbrief 6:

Das Fountain of Life Zentrum – Hilfe für Frauen am Rande der Gesellschaft

Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer, liebe Freundinnen und Freunde in der ganzen Welt!

Es ist zwar noch nicht allzu lange her seit meinem letzten Rundbrief, aber aufgrund verschiedener Nachfragen möchte ich Euch und Ihnen gerne noch einmal näher erklären, warum wir hier im Fountain of Life Center (Zentrum der Quelle des Lebens) unter anderem Deutsch unterrichten.
Ich wünsche allen viel Spaß beim Lesen und freue mich schon auf weitere Fragen oder Kommentare und Grüße aus Deutschland!

Ganz herzliche Grüße aus dem heißen und leicht verregneten Thailand

Cornelia

Neue Freiwillige

Nachdem Louise in der vergangenen Woche nach Dänemark zurückgekehrt ist, möchte ich noch kurz Elsa vorstellen, die ich im letzten Rundbrief schon erwähnt habe. Sie ist 27 Jahre alt und kommt aus Luxemburg. Bis zum März hat sie in Dänemark gelebt und dort ihren Doktor in Chemie gemacht. Wir haben viele ähnliche Interessen und verstehen uns sehr gut. Außerdem können wir uns auf verschiedenen Sprachen unterhalten (sie spricht 7 Sprachen), was manchmal zu einem lustigen Sprachchaos führt.
Zur Zeit sind außerdem noch drei Freiwillige aus Singapur hier, von denen eine ein ganzes Jahr lang bleiben wird. Der fröhliche Dreierpack – bestehend aus Fiona (23 Jahre), Melissa (22 Jahre) und Matilda (20 Jahre) – macht eine Menge Lärm und ist eigentlich unzertrennlich. Wenn jemand wissen will, wo die drei sind kommt immer nur die Frage: „Wo ist Singapur?“.

Wie hilft das Fountain of Life Zentrum den Frauen in Pattaya?

Immer wieder werde ich gefragt, warum wir den Frauen im Zentrum eigentlich Sprachen beibringen. Viele sind der Meinung, dass das doch eher den Männern, die nach Pattaya kommen, hilft als den Frauen. Hier will ich versuchen, die vielen verschiedenen Gründe ein wenig besser zu erklären.

Um den vielen Frauen in den Bars, Massagesalons und auf der Straße helfen zu können muss man sie irgendwie erreichen.
Das Problem dabei ist, Frauen, die zwischen 12 und 20 Stunden pro Tag arbeiten, in ihrer spärlichen Freizeit in ein Zentrum zu bekommen. Dafür müssen die Angebote wirklich sehr ansprechend sein. Die Regierung veranstaltet beispielsweise regelmäßig Vorträge (v.a. über Gesundheit) für die Bararbeiterinnen, die ebenso regelmäßig schlecht besucht sind, da sie schlecht „vermarktet“ werden und auch kaum bekannt sind. Deshalb ist das Angebot von Sprach- und Computerunterricht ein Tor, das uns einen Zugang zu den Frauen ermöglicht.
Das Zentrum ist ein Ort an dem die Frauen sich frei und sicher fühlen können und so wie sie sind angenommen werden. Ihnen wird Zuneigung und Freundlichkeit entgegen gebracht, was für viele sehr wichtig ist, weil die thailändische Gesellschaft Sexarbeiterinnen immer noch verachtet und ausgrenzt. Und das, obwohl etwa 80% der Kunden Thailänder sind und keine Ausländer!
Hier im Zentrum sollen die Frauen Menschenwürde erfahren, neue Freunde finden, Vertrauen lernen, ganz offen sprechen können und Selbstbewusstsein aufbauen. Deshalb wurde auch gleich nach meiner Ankunft betont: „Deine Hauptaufgabe ist nicht streng Deutsch zu unterrichten, sondern zuzuhören!“
Das dieser Ort für offene Gespräche für die Frauen wichtig ist, erlebe ich immer wieder, wenn mir meine Schülerinnen – trotz ihrer vielleicht mangelhaften Deutschkenntnisse – ihre Lebensgeschichte, die neusten Probleme mit ihrem deutschsprachigen Freund oder die Erwartungen ihrer Eltern erzählen. Oder auch wenn eine meiner Schülerinnen mit einer Packung Tee in die Schule kommt und unbedingt von mir wissen will, ob sie den Tee ihrer eineinhalb Jahre alten Tochter füttern kann.
Betont wird auch oft, wie wichtig der Blick ist, mit dem wir die Frauen ansehen. Dass ein Lächeln für sie die ganze Welt bedeuten kann, während ein verächtlicher Blick von oben herab sie in ihrem Glauben bestätigt, dass sie nichts wert sind.

Doch natürlich spielt auch der Sprachunterricht selbst eine große Rolle.
Für die Frauen, ob sie nun in einer Bar oder einem Massagesalon arbeiten, oder ob sie einen ausländischen Freund haben, ist die Verständigung mit den Kunden / ihrem Freund sehr wichtig.
Ein Beispiel: Ein Mann will ein gut aussehendes Mädchen aus der Bar für die Nacht mitnehmen. Als er nach dem Preis fragt, zeigt sie ihm einen Finger. Sie kann sich nicht auf Englisch verständlich machen. Der Mann fragt nach: „100 Baht?“ Und da sie nichts versteht nickt sie einfach (sie denkt er zahlt 1000 Baht) und wird so um eine große Menge Geld gebracht.
Für das tägliche Zusammenleben mit einem Mann ist Kommunikation genauso wichtig. So habe ich eine Schülerin, die von ihrem deutschen Mann immer angeschrien und geschlagen wird, wenn sie ihn nicht versteht. Sie spricht gut Englisch, ist aber dankbar um jedes deutsche Wort, dass sie neu lernt.
Eine andere Schülerin hatte 5000 Baht (etwa 100€) Schulden auf ihrem Haus und das Haus sollte ihr weggenommen werden. Da sie nur zwei Wörter Englisch kann, konnte sie ihrem Freund nicht mitteilen, dass sie Geld braucht. In ihrer Verzweiflung wendete sie sich an das Zentrum und nach erfolgreicher Übersetzung gab ihr der Freund das Geld, so dass sie ihr Haus behalten konnte.

Wenn eine der Frauen aus ihrer jetzigen Arbeit heraus und trotzdem noch Geld verdienen will sind ebenso Fremdsprachenkenntnisse erforderlich. Arbeit, die wenigstens einigermaßen gut bezahlt wird, findet sich hier in Pattaya, aber auch in allen anderen Teilen Thailands, fast nur im Tourismus-Sektor.
Besonders wichtig sind Sprachen auch, da man in Thailand schon mit 31 Jahren als alt gilt und keinen Job mehr findet.
Letzte Woche erzählte mir eine meiner Schülerinnen (35 Jahre alt), dass sie eigentlich gelernte Buchhalterin ist. Trotz hervorragender Deutschkenntnisse und akzeptablem Englisch findet sie keinen Arbeitsplatz mehr, seit sie nach Pattaya umgezogen ist.

Ich hoffe, dass diese Gründe und die Geschichten ein wenig verständlicher machen, warum hier im Fountain of Life Zentrum unter anderem Sprachen unterrichtet werden. Wichtig finde ich noch zu erwähnen, dass unser Hauptziel nicht ist, die Frauen aus den Bars oder ihren Beziehungen „herauszuholen“ sondern sie zu ermutigen, diesen entscheidenden Schritt selbst zu gehen.

Andere Erfahrungen die ich mit Euch und Ihnen teilen will