Rundbrief 4 – Halbzeit in Thailand

Liebe Leserinnen und Leser,

hier kommt nach zwei Monaten endlich mein vierter Rundbrief.
Jetzt bin ich doch tatsächlich schon fast sieben Monate hier in Thailand. Das heißt, die Hälfte meiner Zeit ist um. In den letzten Wochen habe ich viel zurückgeschaut aber auch Pläne für die kommenden sechs Monate gemacht.
Seit den Weihnachtsferien hat sich hier im Fountain of Life Zentrum einiges geändert, über das ich berichten möchte.
Außerdem wird eine der Frauen aus Pattaya ihre Geschichte erzählen.
Bilder über Land und Leute – passend zum Rundbrief – gibt es in Kürze auf dieser Homepage zu sehen.


Neue Freiwillige

Schon vor Weihnachten ist Tine aus Dänemark zurück nach Hause geflogen und kurz nach den Weihnachtsferien dann auch Mirah. Seither sind einige neue Freiwillige angekommen, die sich Euch und Ihnen gerne vorstellen möchten:

Hallo, mein Name ist Louise und ich bin 31 Jahre alt. Ich komme aus Dänemark, wo ich Lehrerin für Englisch, Dänisch, Kochen und Nähen bin. Anfang Januar kam ich nach Thailand und werde bis Ende April oder Anfang Mai im Zentrum Englisch unterrichten.“

Ich heiße Renate, bin 67 Jahre alt und komme aus Fulda. Nachdem ich jahrelang bei Caritas mit Behinderten gearbeitet habe, wollte ich einmal anderswo helfen. Da ich schon fünfmal in Pattaya im Urlaub war und über eine frühere Freiwillige vom Zentrum wusste, habe ich angefragt, ob ich helfen kann. Ich kam am 12. Januar und werde bis Mitte oder Ende Juni bleiben und den Frauen Deutsch beibringen. Leider spreche ich fast kein Englisch, was die Kommunikation manchmal sehr schwierig macht.“

Hallo, ich bin Marlene und reise gerne durch die Welt. Ich bin 32 Jahre alt und komme eigentlich aus Dänemark. Nachdem ich vor zwei Jahren als Freiwillige in Guatemala war hatte ich den Wunsch nochmals Freiwilligenarbeit zu leisten. Ich kam Ende Januar und bleibe bis Ende Juni in Pattaya. Zur Zeit unterrichte ich Englisch für die Anfängerinnen.“

Guten Tag, ich heiße Nadine und bin noch ganz neu hier. Ich bin 22 Jahre alt und studiere Tourismus in Trier. Während meiner Semesterferien wollte ich gerne etwas Sinnvolles machen und so habe ich mich vor erst drei Wochen entschieden, nach Pattaya zu kommen. Ich kam am Donnerstag an, beginne am Montag mit dem Deutschunterricht und bleibe fünf Wochen hier.“

Außerdem gibt es noch Dana (22 Jahre) und Karen (21 Jahre) aus Belgien, die seit Ende September hier sind. Beide werden leider am 21. März nach „schon“ 6 Monaten zurück nach Hause fliegen.

Probleme

Um zu zeigen, dass nicht immer alles super und problemlos abläuft, nachfolgend ein paar Erzählungen aus unserem täglichen Leben.

Wasser

Kürzlich hatten wir sehr viele Probleme mit der Wasserversorgung im Zentrum. Zu der Zeit war es so schlimm, dass wir einmal eine Woche lang fast kein Wasser hatten. Wir haben eine riesige Zisterne unter dem Gras vor dem Zentrum. Aus dieser wird das Wasser in Wassertanks gepumpt, die bei uns im dritten Stock auf der Terrasse stehen. Aus den Tanks wird die Wohnung mit Wasser versorgt. Ende Januar waren irgendwo in den Leitungen Lecks, die aber scheinbar nicht gefunden werden konnten. Jedenfalls lief ständig Wasser in den Haupttank, der Wasserpegel ist stieg aber trotzdem nicht. So kam auch nichts in der Verteilerpumpe an und wir hatten kein Wasser in den Leitungen. Am ersten Tag gab es wenigstens noch im Erdgeschoss Wasser. Also sind wir mit leeren Schüsseln und Eimern nach unten und mit den vollen Gefäßen die 60 Stufen wieder nach oben gestiegen.

Leider fiel schon am nächsten Tag die Wasserversorgung im ganzen Haus aus. Vormittags hieß es noch, es würde repariert werden, aber nachdem nichts passierte mußten wir kreativ werden. Es floss weiterhin Wasser in den Haupttank dessen Einlauf zum Glück ganz oben im Tank ist. Also setzte ich mich mit einem Eimer auf den Tank und hielt ihn unter die Wasserleitung. Sobald er halbvoll war und zu schwer wurdem habe ich ihn Karen gereicht, die das Wasser in andere Schüsseln und Eimer umgegossen hat. So haben wir in etwa 1,5 Stunden ungefähr 6 Schüsseln und Eimer gefüllt, um wenigstens Wasser für die Klospülung zu haben. Am nächsten Tag wuschen Karen und ich Dana in einem der Eimer die Haare. Es war sehr mühsam, aber wir haben fünf Tage so überlebt bis endlich ein Spezialist kam und die Leitung reparierte.

Mitte Februar hatten wir schon wieder zwei Tage lang kein Wasser, weil ein Loch mit etwa 5 mm Durchmesser im Tank war und vergangenen Donnerstag war die große Zisterne im Boden leer und musste am Freitag von einem Tankwagen aufgefüllt werden.

Kühlschrank

An einem unglückseligen Donnerstag Anfang Februar entschieden wir uns, endlich einmal wieder einen unserer beiden Kühlschränke zu putzen und zu enteisen. Da das Gefrierfach kaputt ist, war das Eis auf allen Seiten etwa 5 bis 10 cm dick. Wir sind – wie auch früher schon – mit Messern das Eis angegangen und haben es entfernt. Das ist die einzige Möglichkeit, wie man das Gefrierfach schnell sauber kriegt. Leider haben wir dabei wohl die Kühlschrankwand kaputt gemacht, jedenfalls hat das Gerät hinterher nicht mehr gekühlt. Es wurde schon am nächsten Tag zur Reparatur abgeholt und wir waren erstaunt, wie schnell reagiert wurde. Es stellte sich heraus, dass der Kühlschrank nicht zu reparieren sei und wir einen neuen, größeren Kühlschrank bekommen sollten. Leider ging das dann nicht so schnell, weil Schwester Supaporn uns und P’Aor nicht vertraut hat, sondern unbedingt selbst den neuen Kühlschrank kaufen musste. Sie hatte aber keine Zeit und es war ihr offenbar egal, dass wir solange zu elft mit einem kleinen Kühlschrank auskommen mussten. Und das in einem Land wo alles, sogar das Brot, im Kühlschrank aufbewahrt werden muss. Dana und ich hatten zum Schluss gar nichts mehr zu essen, weil die anderen weiterhin viel eingekauft haben und deswegen kein Platz mehr war. Wir haben uns sogar das Brot zum Frühstück von Karen geliehen.

Bettwanzen

Am Mittwoch, den 13. Februar, hatten wir hier im Zentrum eine Aktivität zum Valentinstag. Wir Freiwilligen mussten wieder eine Vorführung machen und haben diesmal die „Prinzessin auf der Erbse“ als Theaterstück präsentiert. Dafür haben wir alle unsere Matratzen verwendet, um ein hohes Bett für die Prinzessin zu schaffen. Unglücklicherweise stellten wir erst nachmittags fest, dass in Karens Matratze Bettwanzen lebten. Ihre Matratze war die unterste und wir hatten einige Tage lang Angst, dass die Wanzen in die anderen Matratzen gewandert sein könnten. Vielleicht hätten wir ja statt einer „Papiererbse“ ein paar Bettwanzen verwenden können. Jedenfalls mußte Karen, die von der Nacht vorher einige Bisse hatte, ihr ganzes Zimmer putzen. Sie ist in das Zimmer neben mir umgezogen und hatte gar nichts mehr, weil alles zum Abtöten der Tiere erst mit heißem Wasser gewaschen werden musste. Wir haben ihr alles geliehen: Bettwäsche, Hosen, T-Shirts und sogar Unterwäsche. Die folgenden Tage waren wir reichlich mit Wäsche waschen und putzen beschäftigt, was immer sehr zeitaufwendig war, weil das Wasser ja erst im Wasserkocher erhitzt werden musste. Die Wanzen im Zimmer und in der Matratze haben wir mit viel Chemie-Spray wohl erfolgreich bekämpft. Wir anderen scheinen Glück gehabt und uns keine „Mitbewohner“ eingefangen zu haben. Woher die Wanzen aber ursprünglich kamen, ist uns immer noch ein Rätsel.

Valentinstag

Die Valentinstags-Aktivität im Zentrum fand schon am 13. Februar statt, obwohl das Fest selbst ja eigentlich erst einen Tag später begangen wurde. Da aber erwartet wurde, dass an dem Tag kaum Schülerinnen kommen würden, weil sie alle etwas mit ihren „Boyfriends“ unternehmen, wurde die Veranstaltung auf Mittwoch vorgezogen.
Der Vormittag stand unter dem Motto „Meine Liebe, deine Liebe, unsere Liebe“. Zu diesem Thema sollten die Frauen vorher kurze Geschichten, Berichte oder Kommentare schreiben, von denen ein paar ausgewählte dann während der Aktivität vorgelesen wurden. Das war sehr interessant, weil sich die Frauen darin auf ihre eigene Lebensgeschichte und ihre Liebe zu ihrer Familie bezogen. Da alles auf Thai war, hatten wir eine super Übersetzung von P’Aor. Zwischen den einzelnen Geschichten gab es zwei Tanzvorführungen von den Schülerinnen und die schon erwähnte Show von uns Freiwilligen. Wir haben H.C. Anderson’s Märchen „Die Prinzessin auf der Erbse“ etwas vereinfacht geschrieben und vorgeführt. Den englischen Text hatten wir sogar auf Thai übersetzen lassen und als Powerpoint-Präsentation nebenher laufen lassen, damit auch alle Frauen alles verstehen. Ich „durfte“ den Prinz spielen und am Schluss Karen als „die wahre Prinzessin“ heiraten.
Am Ende des Vormittages hielt eine Ärztin aus der Umgebung noch einen sehr langen Vortrag, der unserer Meinung absolut nicht zum Valentinstag passte. Diese Frau reist wohl seit Jahren durch die Gegend und lehrt und informiert viele Leute. Deswegen hat sie auch sehr viele verschiedene Themen in ihrem Vortrag angesprochen. Wir hatten zwar wieder eine gute Übersetzung, aber das hat es auch nicht viel besser gemacht. Wir fanden einfach keinen roten Faden in dem, was sie erzählte. Außerdem wollte sie ihren Vortrag ebenfalls mit einer Powerpoint-Präsentation unterstützen, was ihr aber nicht gelang. Das hat die Aktivität meiner Meinung nach etwas kaputt gemacht.
Dabei war es so schön, weil wir auch wieder (wie schon im August am Muttertag) massig Papierblumen von den Schülerinnen bekamen. Um seinen Respekt, seine Anerkennung und seine „Liebe“ zu anderen Menschen zu zeigen, ist es in Thailand üblich, den betreffenden Menschen Blumen zu schenken. Diese können echt oder aus Papier oder Plastik sein. Da echte Blumen sehr teuer sind, haben die Schülerinnen vor der Aktivität wochenlang in der Mittagspause bunte Blumen aus Krepppapier gebastelt. Diese wurden dann am Mittwoch für 5 Baht pro Blume an die Schülerinnen verkauft. Der Erlös kommt dem Zentrum zu Gute. Als Lehrerinnen haben die Schülerinnen viel Respekt vor uns, weswegen wir sehr viele Blumen bekommen haben.

Die Sprache Thai und ich

Ich lerne ja schon seit Mitte August Thai und mittlerweile klappt es mit dem Sprechen auch schon recht gut. Alles was mit dem alltäglichen Leben – also Essen, Schlafen, Duschen, Einkaufen usw. – zu tun hat, kann ich ziemlich problemlos ausdrücken. Für Diskussionen reicht es aber noch nicht ganz.

Seit Mitte Januar habe ich eine neue Herausforderung angenommen. Ich lerne jetzt auch lesen und schreiben. Das macht mir sehr viel Spaß, ist aber nicht einfach. Das thailändische Alphabet hat 44 Konsonanten und 32 Vokallaute. Also gibt es insgesamt 76 verschiedene Zeichen oder Zeichenkombinationen, die sich auch noch teilweise sehr ähnlich sind. Dazu kommen viele Regeln, die man beachten muss und - nicht zu vergessen – vier verschiedene Symbole, die die Tonhöhe eines Wortes angeben. Was das ganze noch schwieriger macht ist, dass es keinen Abstand zwischen den einzelnen Wörtern gibt, sondern nur zwischen den Sätzen. Außerdem werden nicht alle Vokale geschrieben, was das korrekte lesen und somit auch das Verständnis um einiges erschwert. Mit einem Lesebuch für Kinder mit vielen bunten Bildern schaffe ich es aber ganz gut und es macht mir weiterhin Spaß!

Lebensgeschichte

Zum Schluss wird Lek (Name geändert) Euch und Ihnen noch ihre Geschichte erzählen. So ähnlich wie ihr Leben läuft das Leben vieler Frauen ab, die als Schülerinnen in unser Zentrum kommen.

Sawasdee-khà! Ich heiße Lek und bin 23 Jahre alt. Ich wurde als Kind von Reisbauern im Isaan im Nordosten geboren. Diese Gegend ist der ärmste Teil Thailands und die Menschen haben sehr wenig Geld. Ich habe noch drei Geschwister und wir mussten viel auf der Farm helfen. Meine Eltern hatten es schwer, uns alle zur Schule zu schicken, weil das viel kostet. Wir müssen zwar kein Schulgeld zahlen, dafür aber alles andere, wie zum Beispiel die Schuluniform. Deswegen habe ich nur 6 Jahre die Grundschule besucht und dann auf dem Feld und in einer Fabrik gearbeitet, um Geld zu verdienen. Mit 17 Jahren kam ich nach Pattaya um mehr Geld zu verdienen. Ich mochte die Arbeit in der Bar nicht, aber ich bekam genug, um hier zu leben und trotzdem noch Geld zu meiner Familie nach Hause schicken zu können. Als ich einen Mann aus Japan fand, der ständig mit mir zusammen sein wollte, war ich sehr glücklich. Das bedeutete für mich ein regelmäßiges Einkommen von dem ich einen großen Teil nach Hause schicken konnte. Meine Familie und die Leute aus meinem Dorf wissen nicht, wie ich das Geld verdiene. Sie denken ich arbeite hier in einem Hotel. Wenn sie wüssten, woher ich das Geld habe, würden sie mich verstoßen.

Da weder der Mann noch ich Englisch sprechen, konnten wir uns nur mit Hilfe von Händen und Füßen und einem Wörterbuch verständigen. Das war oft sehr anstrengend und führte zu vielen Missverständnissen. Nach zwei Jahren wurde es immer schlimmer und er schrie mich nur noch an, schlug mich und wollte mir kein Geld mehr geben. Zu dieser Zeit war ich zum Glück schon Schülerin im Fountain of Life Zentrum und mit Hilfe von Schwester Supaporn konnte ich mich von dem Japaner trennen.

Die Schwester bot mir einen Job als Thai-Mitarbeiterin im Zentrum an. Ich sollte Thai unterrichten. Zuerst wollte ich den Job nicht annehmen, weil er nicht so viel Geld einbringt wie die Arbeit in der Bar. Schließlich habe ich mich doch dafür entschieden und unterrichtete immer von montags bis freitags. Das hat mir viel Spaß gemacht und auch die Aktivitäten und alles andere an der Arbeit waren gut. Trotzdem war es mir nicht genug und nach drei Monaten habe ich gekündigt. Jetzt arbeite ich wieder in einer Bar und hoffe bald einen Mann zu finden, der mir Geld gibt.“


Herzliche Grüße aus dem Osten
คอร์เนเลีา
(Cornelia)